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Geschichten anders erzählt Acqua Alta von Adrien M & Claire B

Als Künstler haben wir die Pflicht, zu verstehen, was wir mit der Technologie tun.“
© photos 1 & 2 © Adrien & & Claire B / photo 3 © Romain Etienne/​item

Seit zehn Jahren gehen Adrien Mondot und Claire Bardainne gemeinsam der Frage nach, was Bewegung und Lebendigkeit auszeichnet. Mit dem Projekt Acqua Alta erkunden sie gleich drei Forschungsfelder: die Bühne, ein augmented book“ und ein Virtual-Reality-Erlebnis.

Claire Bardainne, Acqua Alta ist ein ambitioniertes Projekt, das dem Publikum drei Variationen einer Geschichte in drei verschiedenen Formaten bietet. Warum war das für Sie wichtig?

Adrien und ich haben uns bei den Formaten nie zeitliche oder räumliche Grenzen gesetzt. Wir wechseln von kleinen zu sehr großen Formaten, von Bühnenformaten bis zu interaktiven Installationen. Aber da wir nie gleichzeitig an einem Projekt arbeiten, überschneiden sich die kreativen Prozesse und befruchten sich gegenseitig. Damit, dass wir all unsere Vorstellungen in Acqua Alta zusammengebracht haben, wollten wir zeigen, dass ein Buch ein Schauspiel sein kann, dass ein Schauspiel ein immersives Erlebnis sein kann und dass ein Buch Methoden aus Film und Comic nutzen kann. Es gefällt uns, Teil dieses großen Magmas zu sein, wo sich die Dinge überlappen, und das kommt in diesem Projekt zum Ausdruck. Es ist immer ziemlich kompliziert, aber wir können einfach nicht anders!

Welchen Platz nimmt Acqua Alta im Werdegang des Ensembles ein? 

Adrien und ich haben uns dem Thema der Bewegung von Elementen verschrieben, seit wir uns kennen. Acqua Alta steht ganz im Einklang mit dieser sehr poetischen und persönlichen Studie über die Beziehung zu den Elementen, die ich mit von einem lebendigen Element zum anderen“ umschreiben würde. Wasser ist ein Element, das in unserer Vorstellung, unserem persönlichen und kollektiven Unbewussten, auf sehr unterschiedliche Dinge verweist. Es gehört sowohl zum Erwachen, zum Aufbruch, zur Jugend, als auch zum Verdrängten, Dunklen, und wir bringen es schnell mit der Katastrophe in Verbindung.

Uns geht es darum, wie man das Gefühl, in Gegenwart von etwas Lebendigem zu sein, wirklich körperlich spürbar machen kann. Dank der Software, die vom Ensemble selbst für die einzelnen Projekte entwickelt wird, werden die Bilder auf der Grundlage einer Gleichung, aber auch der Beobachtung der Realität animiert. Das, denke ich, ist es, was bei unseren Projekten sinnliche Eindrücke ermöglicht.

Die drei in Acqua Alta präsentierten Formate ermöglichen im Übrigen sehr unterschiedliche Eindrücke.

In Acqua Alta − Tête à tête, dem Virtual-Reality-Erlebnis, versetzen wir den Zuschauer mitten in eine Szene des Stücks, und das ist zwangsläufig etwas anderes, als wenn er in einem Sessel im Theater säße und die Vorstellung vor ihm abliefe oder sich in einem Augmented-Reality-Fenster um ein Buch drehen würde. Die Eindrücke sind nicht die gleichen, was an den Unterschieden im Maßstab, der Zeitlichkeit, dem Blickwinkel und der Beziehung zum Licht in den einzelnen Formaten liegt.

Sie erwähnten, dass die Software speziell entwickelt wird, und zwar von Adrien, Ihrem Informatiker. Gelingt es Ihnen deshalb, nah an den Empfindungen zu bleiben, das Kalte der Technologie zu vermeiden, das dieser häufig nachgesagt wird – weil sie diese Technologien selbst entwickeln?

Wir sind uns der Gefahr der technologischen Vereinnahmung durchaus bewusst. Zum Glück ermöglicht uns die Arbeit zu zweit eine gewisse Distanz, es ist immer einer da, der dem anderen sagt, wenn etwas nicht funktioniert. Aber vor allem gibt es wichtige Herausforderungen rund um die Technologie und das, was wir mit ihr machen. Wir stellen uns viele Fragen zu dem, was wir da in den Händen haben. Sind wir auch nicht missionarisch unterwegs? Beteiligen wir uns auch nicht am Marketing der großen multinationalen Unternehmen, die diese Technologien herstellen? Und ich glaube, dass wir uns gerade einem dieser Aspekte nähern, nämlich der technologischen Souveränität – oder zumindest dem Streben danach –, die auf der gleichen Stufe steht wie die Ernährungssouveränität.

Ich denke, dass wir als Künstler, die diese Technologien nutzen, die Pflicht haben, zu verstehen, was wir tun, was das bedeutet und wo wir stehen. Es gibt Künstler, die mit der Dystopie, mit der Denunzierung arbeiten. Mit Adrien und der Arbeit, die wir mit unserem Ensemble machen, bewegen wir uns in einem Verhältnis der Aneignung, des Hinterfragens, des Austüftelns, der Abweichung, der Nicht-Produktivität, der Poesie, des Lokalen, der Verknüpfung. Wir beteiligen uns an der Gestaltung einer lebenswerten Zukunft, mit Technologie, aber in einem Maße, das wir als fairer und angemessener empfinden.