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Gespräch Marc Hauser & Nicolas Przeor

Wir lieben die Abwechslung, und uns gefällt die Idee, Newcomer-Bands die Tür zu öffnen.“
© Gilles Kayser

Als Duo sind unsere Verantwortlichen für das Musikprogramm, Marc Hauser und sein Kumpel Nicolas Przeor, im Büro ebenso erfolgreich wie vor Ort. Der Klub würde sehr hohl klingen, wenn sie nicht da wären, um an den Konzertabenden die Stellung zu halten, stets auf der Suche nach neuen Talenten. Ihr gemeinsames Rezept: eine Musikkultur, die noch von den guten alten Kassetten geprägt ist und die Lust, Neugierige zu überraschen.

Wie ist eure Zusammenarbeit in den Rotondes entstanden?

M.H.: Anfangs war ich allein für das Programm verantwortlich. Ich habe 2007 angefangen, als Luxemburg Kulturhauptstadt war, und meine ersten Konzerte im Exit07 veranstaltet. Das war der erste Konzertsaal dieser Größe in Luxemburg, mit Platz für 250 Personen. Es hat ziemlich gut funktioniert, und so habe ich bis 2016, als Nicolas dazukam, allein weitergemacht.

N.P.: Bevor ich zum Team stieß, war ich Stammgast bei Konzerten im Exit07, und ich fand das ganze Programm, das Marc auf die Bühne stellte, richtig cool. Schon damals konnte ich mich mit seiner musikalischen Richtung identifizieren. Als ich bei den Rotondes anfing, war Marc für die Programmgestaltung zuständig und ich habe mich ausschließlich um die Produktion der Konzerte vor Ort gekümmert. Später haben wir uns dann nach und nach alle im Ablauf anfallenden Aufgaben geteilt, von der Programmgestaltung bis zur Produktion.

M.H.: Wir haben im Laufe der Zeit festgestellt, wie bereichernd unser Austausch ist. Nicolas ist Mitglied einer sehr beliebten luxemburgischen Band (Mutiny on the Bounty, Anm. d. Red.), das ist sehr interessant. Er hat viel Erfahrung und eine andere Sicht auf die Musik und die Musikszene. Durch unsere Gespräche entdecken wir ständig neue Dinge, die wir dem Publikum anbieten können.

Mit welcher Musikkultur seid ihr aufgewachsen? 

N.P.: Ich bin in den 80er-Jahren geboren und war in der Grunge-Zeit Teenager. Meine Eltern haben keine Musik gehört, aber über meine Schwester habe ich die Rockbands der damaligen Zeit kennengelernt. Sie hatte Kassetten von den Smashing Pumpkins, von Basement, sie hörte Gruppen wie The Cure oder The Smiths. Das fand ich spannend. Mit 13 habe ich angefangen, Gitarre zu spielen, und mich weiter in der Indie-Rock-Szene bewegt. Mit 20 habe ich begonnen, Konzerte in der Punk- und Underground-Szene zu organisieren. Damals konnte man die Postanschrift zur Kontaktaufnahme im CD-Booklet finden. Das war alles sehr DIY. Über das Organisieren von Konzerten in kleinen Cafés habe ich das Handwerk gelernt. Es ist eine Leidenschaft.

M.H. Als Jugendlicher hing ich immer mit Leuten ab, die Musik machten. Ich ging zu Proben, hing mit Bands ab und trieb mich bei diesen Leuten rum. Ich habe Bands wie The God Machine entdeckt, bei denen sich wirklich alles um Musik dreht. Später stand ich eher auf alles, was elektronisch war, alles, was vom Warp-Label war. Das war so eine Art Offenbarung. Dann habe ich drei Jahre in Brüssel studiert und viel Zeit in der Mediathek verbracht. Die war riesig, und man konnte CDs für wenig Geld ausleihen. So habe ich mich musikalisch weitergebildet. Als ich nach Luxemburg zurückkam (2003), habe ich zunächst ein Festival mit dem Namen [vitrin]sonore organisiert. Wir haben die KünstlerInnen in einer Bar hinter einem großen Schaufenster präsentiert. 2007 bin ich dann zu den Rotondes gekommen und habe hier die ersten Konzerte veranstaltet.

Bei euch tritt keine Band zweimal auf. Was ist der Grund? 

M.H.: Es geht darum, immer etwas Neues zu bieten, bei jedem Konzert. So sorgt man dafür, dass das Publikum neugierig bleibt. Was die Programmgestaltung betrifft, ist es ein bisschen komplizierter, aber auch interessanter. Wir könnten es uns leicht machen, indem wir die Bands, die wir bereits kennen, noch mal auftreten lassen, so dass eine Routine entsteht. Aber wir lieben die Abwechslung. Uns gefällt auch die Idee, Newcomer-Bands die Tür zu öffnen und dann anderen Veranstaltern die Möglichkeit zu geben, sie auch bei sich auftreten zu lassen. 

N.P.: Im Grunde sind wir Vorreiter, und das macht das Programm interessant. Leute, die neugierig sind, kommen wieder, weil sie jedes Mal überrascht werden. Ich selbst habe vor meiner Arbeit mit Marc die Gruppen nicht gekannt, die er auf die Bühne holte. Aber ich wurde selten enttäuscht, also bin ich immer wiedergekommen. Und genau das finde ich spannend: die Leute mit unbekannten Namen anlocken zu können, durch eine bestimmte Atmosphäre, eine bestimmte Ästhetik. 

Welche Art von Publikum möchtet ihr ansprechen? 

M.H. : Die Neugierigen natürlich. Und das funktioniert auch! Das zeigt sich im Sommer bei unserem Festival Congés Annulés. Obwohl im August normalerweise konzerttechnisch Flaute herrscht, verkaufen wir mehr Tickets als im Rest des Jahres. Und es sind eine Menge Leute da, die wir sonst nie zu sehen bekommen!

(unten: The Cookie Jar Complot, Congés Annulés 2021 © Mike Zenari)

Wie schafft ihr es, als Vorreiter echte Perlen zu finden? 

M.H.: Da gibt es mehrere Möglichkeiten: zum einen ganz einfach dadurch, selbst Musik zu konsumieren. Platten kaufen zu gehen und sie sich anzuhören. Dann gibt es zahlreiche Showcase-Festivals wie das Reeperbahn Festival in Hamburg, The Great Escape in Brighton oder das Eurosonic in Gröningen. Das sind Festivals, bei denen sich normales Publikum und Profis aus dem Musikbusiness mischen. Labels, AgentInnen und ManagerInnen fahren dorthin, um Bands zu entdecken und unter Vertrag zu nehmen. Außerdem erhalten wir Vorschläge von AgentInnen, es gibt Mundpropaganda, die Fachpresse, Magazine … Und dann die Gespräche unter uns beiden. 

N.P.: Ich persönlich bin sehr im Augenblick“. Ich bin neugierig. Sobald ich einen Artikel über eine neue Band lese, habe ich das Bedürfnis, mehr zu erfahren. Wenn ich online Playlists höre, suche ich nach Gruppen, die ich noch nicht kenne, um etwas Frisches, Neues zu hören. Ich gehe auch außerhalb der Rotondes auf eine Menge Konzerte, und dank meiner Band lerne ich sehr viele neue KünstlerInnen kennen. Ich glaube, das ist wichtig: aufmerksam zu sein, die Ohren offen zu halten und stets über KünstlerInnen und neue Trends auf dem Laufenden zu bleiben.

Eine ehrliche Auswahl

Welche Art von Musik hört ihr am liebsten?

M.H.: Wir versuchen, für alles offen zu sein, aber es gibt bestimmte Genres, die wir nicht bedienen, weil wir uns da nicht auskennen und die falsche Auswahl treffen könnten. Also haben wir eine offene Tür für Einrichtungen und Institutionen, die diese Stile abdecken können, die wir trotz allem interessant finden. Zum Beispiel für das Kollektiv De Läbbel, das sich mit Hip Hop beschäftigt und hier Bands auftreten lassen kann. Es gibt auch den gemeinnützigen Verein Lagerkultur, der versucht, die Clubbing-Szene auszubauen.

Ihr seid beide mit viel Leidenschaft dabei. Habt ihr keine Angst, in eurer Auswahl zu subjektiv zu sein?

M.H.: Das ist eine Frage, die wir uns regelmäßig stellen. Es gibt eine ästhetische Auswahl, die subjektiv ist, ob wir das wollen oder nicht. Ich denke einfach, dass wir ehrlich sind. Wir gehen selbst auf unsere Konzerte, und wir würden nie eine Band auftreten lassen, auf die wir selbst keine Lust haben, selbst wenn sie ein großes Publikum anziehen würde. Aber wenn wir nicht mit ganzem Herzen dabei wären, wäre es nicht der Mühe wert.