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Bildende Kunst Marc Scozzai

Voie 15 ist ein typisches Rotondes-Projekt, weil es unerwartet ist, anders als das, was man in anderen kulturellen Einrichtungen zu sehen bekommt.“
© Eric Engel

Die Abteilung für Bildende Kunst weiß durchaus, das Publikum zu überraschen. Trotzdem würde man nicht mit damit rechnen, eine Lokomotive zu sehen und ein Eisenbahngleis, das die Galerie durchquert und plötzlich auf dem Vorplatz auftaucht. Marc Scozzai, der das Ganze ins Leben gerufen hat, erzählt uns mehr über die Installation Voie 15, die noch bis zum 23. August zu sehen ist.

Marc, du musst uns erklären, wie du auf Voie 15 gekommen bist!

Was den Sommer angeht, so versuchen wir, zwischen der Triennale Jeune Création, einem rein zeitgenössischen Kunstprojekt, das alle drei Jahre stattfindet, Installationen wie The moon is full but it is not the moon im letzten Jahr und spielerischeren Projekten wie 18 — Une nouvelle approche du minigolf im Jahr 2018 abzuwechseln. Dieses Jahr hatten wir also ein spielerisches Projekt für ein breites Publikum im Auge.

Außerdem wollten wir die Sommerausstellung im Rahmen des European Design Festival stattfinden lassen, von dem zwei Preisverleihungen in den Rotondes stattfinden. Ich habe mich an ein sehr schönes Erlebnis 2019 erinnert, das wir 2019 für The Open End Festival, ein Wochenende rund um das Thema Design, gemacht hatten. Wir hatten eine weiße Trennwand aufgestellt und Posca-Marker zur Verfügung gestellt. Die Leute vor Ort – meist GrafikerInnen, IllustratorInnen, DesignerInnen – waren sehr schnell begeistert und am Ende des Festivals sah diese Wand richtig gut aus! Wir dachten uns, dass ein partizipatives Format wie dieses bei Fachleuten genauso gut funktionieren könnte wie bei einem Familienpublikum und den FestivalbesucherInnen, die zu den Congés Annulés kommen. Aus diesem Grund ist Voie 15 in drei Phasen aufgebaut und wird länger dauern als unsere bisherigen Sommerausstellungen.

Blieb nur noch die Frage des Mediums.

Angesichts der Geschichte der Rotondes und mit dem Bahnhof direkt nebenan hat sich das Medium quasi von selbst ergeben. Wir haben uns gesagt: Die CFL hat vor kurzem weitere Bahnsteige hinzugefügt, also lasst uns einen achten in der Galerie bauen! Ganz in Weiß war er als Ausdrucksmedium gut geeignet. 

Was die Lokomotive betrifft, so habe ich mich in die Werkstatt der CFL begeben, die dem Verein zur Verfügung gestellt wurde, der sich im Namen des staatlichen Denkmalschutzes um den Erhalt des Eisenbahnerbes kümmert. Ich wurde begleitet von Marko Krsnik, dem Architekten, der die Pläne für unsere Lokomotive entworfen hat und für deren Umsetzung verantwortlich ist. Wir haben dort drei Stunden mit sehr engagierten Ehrenamtlichen verbracht, einige von ihnen ehemalige CFL-MitarbeiterInnen. Sie haben uns alles bis ins kleinste Detail gezeigt und uns die technischen Pläne gegeben. Wir hatten alles, um unsere Holzlokomotive so realitätsnah wie möglich bauen zu können. Sie hat fast die Originalgröße und ist nur 20 % kleiner als das Original.

Die Ironie ist, dass ihre größte Sorge immer darin besteht, dass die Bahnen mit Graffiti-Tags besprüht werden könnten, während wir extra eine Lokomotive gebaut haben, damit die Leute darauf zeichnen können!

Die Installation findet in drei Phasen statt. Die erste erfolgte im Rahmen des European Design Festival. Die zweite wird am 24. Juni eröffnet und bis zum 16. Juli dauern, bevor dann die dritte Phase parallel zu Congés Annulés stattfindet. Das hat strategische Gründe, nehme ich an?

Die erste Phase dauerte nur wenige Tage, aber das Publikum – sowohl Grafiker und Designer, die zum Festival kamen, als auch Familien mit Kindern – war sofort sehr aufgeregt. Der Bahnsteig und die Schienen blieben nicht lange makellos weiß!

Die zweite Phase erfolgt parallel zu den letzten drei Unterrichtswochen vor den Sommerferien, so dass wir die Möglichkeit haben, ein interessantes Vermittlungsprogramm für Grundschulgruppen anzubieten. Da Voie 15 eine Installation und keine Ausstellung ist, geht das schnell! Also wird es einen partizipativen Teil geben, Workshops, vor allem mit Graffiti-KünstlerInnen.

Ausgangsbasis für die dritte Phase war die Erkenntnis, dass wir jeden Sommer eine Ausstellung anbieten, das Festivalpublikum der Congés Annulés aber nicht unbedingt eben mal in die Galerie kommt, um zu sehen, was drinnen passiert. Daher die Idee, auf dem Vorplatz so eine Art Lockvogel zu haben, in Form einer Verlängerung des Bahnsteigs nach außen.

Warum ist es deiner Ansicht nach ein typisches Rotondes-Projekt?

Es ist in vielerlei Hinsicht typisch, denke ich. Zunächst einmal, weil es wieder einen Zug in die Gebäude bringt, die ja ursprünglich genau dafür gedacht waren, und so mit unserer Geschichte spielt. Typisch ist es auch, weil es unerwartet ist, anders als die Installationen und Ausstellungen, die man in anderen Kulturinstitutionen zu sehen bekommt. Und typisch auch, weil es partizipativ ist. Auch wenn wir uns an ein Familienpublikum richten, sorgen wir dafür, dass niemand zu kurz kommt, und das ist meiner Ansicht nach hier auch der Fall.

Er schafft auch eine Verbindung zu unserem Programm, das auf urbane Kunst ausgerichtet ist.

Ja, aber nicht nur. Die Mischung der Genres ist ein Grundsatz unseres Hauses, und ein Projekt wie dieses macht es möglich, für viele unterschiedliche Ausdrucksformen offen zu sein.

Aktuell [AdR: das Gespräch fand am 11. April statt] arbeiten wir noch am genauen Programm, aber wir planen Interventionen von KünstlerInnen zur Live-Demonstration von Wandmalerei. Es geht um eine direkte Intervention auf dem Medium, aber wenn man sieht, was Mik Muhlen bei Moolt ons een… für uns macht – er verbringt den ganzen Nachmittag an einem drei mal vier Meter großen Wandbild –, scheint das Arbeiten am Bahnsteig kompliziert.

Für das Event bei der Eröffnung der Congés Annulés haben wir uns eine Art gezeichnetes Konzert vorgestellt oder auch eine Tanzperformance, bei der jede Bewegung eine Spur hinterlässt. Wir wollten es nicht beim Graffiti belassen, sondern die Installation für andere Ausdrucksformen öffnen.

Da der Bahnsteig noch vollkommen weiß sein wird, haben wir an ein Mapping geplant. Wir sind im Gespräch mit einem Illustrator, der diese Art von Animation noch nie gemacht hat. Unsere Rolle besteht sowohl darin, KünstlerInnen, die gerade erst anfangen, Sichtbarkeit und kreative Möglichkeiten zu bieten, als auch darin, etablierteren KünstlerInnen die Möglichkeit zu geben, sich an anderen Kunstformen zu versuchen.